Was aushalten?
Ich warte auf den Tag, an dem alles was lebt,
seine Peinlichkeit eingesteht.
Wilhelm Genazino
Viele vertreten die Anischt, daß der Individualverkehr die bessere Alternative wäre, wettern gegen Bahnreisen und Flugreisen (letzterem möchte ich mich mittlerweile anschließen, da sie doch schon zunehmend in Richtung Viehtransport, was die Qualität und Gängelung angeht, tendieren). Zugegeben, es gibt immer wieder einmal Grund zum Ärgern, aber letztlich ist die Bahn doch erheblich besser als ihr Ruf und man sollte sich eher darüber wundern, daß derartig komplexe Systeme überhaupt so relativ zuverlässig funktionieren statt sich aus einer Perspektive des Verwöhntseins in der Rolle des Rundumkritikers zu gefallen
Es gab wieder einmal "Schnäppchentickets" für die DB. Und in den Foren dazu die entsprechend mehr oder weniger geistreichen Beiträge. Wie wäre es, einmal über die beiden folgenden Bemerkungen gründlich nachzudenken?
Mu...19..(Namen verfremdet) schreibt am Sonntag, 30 Mai, 2010 um 5:22 pm
Naja, dann kann man sich ja wieder auf überfüllte Züge freuen, wenn auch der Pöbel wieder für ein paar Wochen mitfahren kann….Ich werd dann wohl auf 1. Klasse umsteigen.
38 o..r@....com (Name ebenfalls verfremdet) antwortet hierauf am Sonntag, 30 Mai, 2010 um 5:38 pm
Damit sich auch die erste Klasse über einen Pöbel freuen kann
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An obige Ausführung anknüpfende Gedanken in Gedichtformen:
Gedichte aus dem Zyklus "2004, geh' hin und sehe wie alles blühet"
(Teilnahme an Dingen, mit denen man sich alles andere als identifizieren kann, Mithilfe beim unsäglichen 'Unter den Teppich kehren', Schweigen zu Impertinenzen, hilft letztlich nur, diese Ungereimtheiten zui perpetuieren. Man stelle sich einmal vor: Keiner ginge hin, um sich das Gewäsch so vieler vermeintlicher Größen und Großen anzuhören, man ließe sie allein in ihrem so oft verlogenem und seichten Ambiente, man erweise ihnen vor allem nur tatsächlich die Achtung die sie tatsächlich auch nur verdienen - was freilich sehr oft in Miß- und Verachtung münden müßte -, man spiele deren Spiel der Vereinfachungen nicht mit und verweigere sich deren aktionistischen und narzißtischen Bedürfnissen ... Man stelle sich dies einfach einmal alles vor! Motto: Stelle dir vor, es wäre Krieg und keiner ginge mehr hin. Oder: Man benenne die Dinge so, wie sie sind und verweigere jegliche Form von Euphemismen. Man lese hierzu zum Beispiel Ivan Nagels 'Das Falschwörterbuch' und erweitere dessen Aussagen auf unsere Alltäglichkeit im wahrsten Sinne des Wortes: Auf die Verhältnisse im Arbeitsleben, auf den Umgang miteinander, auf Wunsch- beziehungsweise Falschdenken, auf die verbreiteten Lügen, oft nur dienlich, seine eigene Position und Haut zu retten, seine Minderwertigkeit zu kompensieren, seine Art in messianischer Dogmatik anderen als Lebensmaxime aufpfropfen zu wollen. Erschrecken wird dann kaum ausbleiben können. Man kann Blühendes nicht seinem Humus entfremden, man wird Welkendes nicht omnipotenten Phantasien opfern können. Leben ist in seinen wirklichen Bezügen zu belassen. Der Schaumschläger hat in einer Blumenwiese keinen Platz. Er oder Sie - dann eben die Schaumschlägerin - wird Blumen allenfalls zu seiner oder ihrer Selbstbekränzung im weitesten Sinne verwenden können, was freilich bereits dadurch zum Niedergang aller Pracht führen wird. Maulaufreißer verlangen nach Gegenwehr, Naturfrevler gehören enttarnt, Möchtegernstrategen sind zu benennen, Jammerlappen verdienen nicht mehr Mitleid als es jedem anderen Menschen auch gebührt, Zusammenfassen: Einfach wachsam sein!)
Zyklus "2004,
geh' hin und sehe wie alles blühet"
es schrödert und stoibert und hundtet und merkelt
am freßnapf des einfachen volks wird gewerkelt
besorgnisgesichter je nach anlaß gefurchet und zerknittert
es fischert und schmidtet und es kräftig furzend verwittert
sie schreiben sie reden und sie diskutieren
dabei freilich möglichst nichts selbst zu verlieren
wir hören und wir schauen und wir überlegen
vergessen dabei uns angemessen zu regen
Neulich kreuzte die linke Gundula mal wieder meine Wege
Es hätte zu wenig Widerstand gegen die Amerikaner gegeben
Jene wären an allem Schuld und überhaupt ...
Man hätte denen viel zu lange nur zugeschaut
Kampfzornesfalten über hängendem Mundwinkelgehege
Es ginge schließlich um unser aller Überleben
Man müsse sich schließlich und endlich einmal kräftig zeigen
Es gälte so manchen endlich den großen Marsch zu geigen
Es ginge nicht an daß manche überall nur so einfallen
Und mit dummen Präsidenten der Welt die Ohren zulallen
Die linke Gundula ward in kämpferisches Rot gekleidet
So wie jeden Tag hat sie ihr bürgerlich Haus verlassen
So wie nur allzu oft ging sie ihr spärlich Freud verprassen
Und hat dabei so manchen anderen ihr Antlitz verleidet
Ihr Kleid ward nur gefärbt
Die Haut chamäleonhaft gegerbt
Der Wunsch blieb nur Fassade
Zu viel an Maskerade
Und längst gehen wir wieder wie schon zuvor getrennte Wege
Mit Salonfärbereien läßt sich nun einmal nicht leicht leben
Ich fand sie einfach für ihr Verhältnis zu laut
Ihre Gesinnung einfach zu falsch und angegraut
Fern der linken Gundula mit ihrem Spießerrevolutionsgestrebe
Bauen sie weiter an ihren teuflischen Blendgranatengräben
Die Dichterin im Orte zu dörflicher Größe gewunden
Dabei die Worte in tränenfordernd Reim gebunden
Es hören all jene die selbst Schaudern erhoffen
Sie sperren gleich Spatzen ihre Löffel und Mäuler offen
Es nebelt sich die überschaubare Welt in dürres Kristall
Aus den Nebenzimmern klingen Witze mit Lachen prall
Da ward aus der Dichterin Gurgel ein letzter Punkt geschossen
Mit nach Beifall heischend Blick hat sie ihre Kladde geschlossen
Es liest es tanzt es spielt und singt,
Wie lieblich friedlich alles klingt.
Es geigt es trommelt und es wirbelt,
Aus tiefem Geist ein Wort entzwirbelt.
Mag mancher denken: Welch ein Zwerg!
Heut nennt man dies: Gesamtkunstwerk ...
Sie hat mir gesagt: Ich mag nicht mehr.
Das Lachen ist mir hier zu laut geworden.
Sie zog mich fort aus jenem Häusermeer
Doch aus dem Ausbruch ist nicht mehr geworden.
Im Dunst des Nebels fanden wir uns getrennt
Und sind verschiedene Richtungen angegangen:
Ich spürte allmählich wie Haut so verbrennt.
Sie weigerte sich, etwas Neues anzufangen.
Ich schrieb paar Zeilen über das Vermissen,
Sie hat sich vor den Zug geschmissen.
In Zärtlichkeiten tief eingewoben
Deine Haut und deine Haare spüren
Leben inmitten von diesem Verführen
Was will man denn sonst noch loben
Die Hände nach Regenbogenfarben strecken
Mit beiden Füßen fest in der Luft
Berauscht von Sinnen und deinem Duft
Warum nach anderem man sich sollt recken
So feiern wir Abschied von manchen Dingen
Und rennen in Richtungen so unbekannt
Schaffen uns Räume noch unbenannt
Und finden uns täglich in neuem Ringen
Es war das Wort
Am Anfang sagen sie
Es war die Tat
Doch sie war nie
Auch ob das Wort
Je erklungen ist
Ist uns nicht sicher
Es wird vermißt
Am Schienenstrang die Blumen blühen
Ein Platz der einst ein Leben gesehen
Auf seinem letzten zarten Hauch
Als wär es allerhöchster Brauch
Zum Abschied nochmals aufzugrünen
Gleich zum Erhellen all das Sühnen
Es sitzt am Stammtisch von höchstem Niveau
Die Bürger fühlen sich alle so froh
Sie hören die Worte der Bürgervertreter
Die Wahrheit hier sei zehnmal so viel
Wie die des Gegners traurig Spiel
An Passaus Aschermittwoch sei die Welt völlig richtig
Da gilt auch der kleinste Bürger als unsagbar wichtig
Ins Mikrophon plärrt diese Einsicht in den Rundfunkkotzzuber
Es spricht voller Überzeugung der bayerisch Politapostel Huber
Es brodelt in die Gehirne der Pfefferminztee
Man möchte den Duft gerne austreten
Es wächst die Sehnsucht nach kältestem See
Wir sollten uns so manches verbeten
Und in andere Ufer tauchen
Anderen die Gelenke verstauchen
Ein klein wenig Verbote rauchen
Nichts von den Schranzen brauchen
Nur ein ganz klein wenig schnell erfassen
Der Dummheit Humus überpissen
Mit etwas übertünchend Wissen
Und von all den Laffen endlich lassen
Neutronen Elektronen und Protonen
Setzt dagegen ein veganisch Lebensstil
Irgendwie sollt man sich schonen
Denn man hat ja schon viel zu viel
Selbstachtung in den Spiegel gesetzt
Sich immer zu vieles vorgemacht
Kreidebleich durchs Leben gehetzt
Dabei Vergangenes durchgebracht
Er tat so als stünde geplant die Welt ihm offen
Als zöge er geographisch weitere Kreise
Doch es blieb nur bei diesem falschen Hoffen
Man blieb am Ort zurück und dies ganz leise
Von früh an der Trieb sich zu bereichern
Dem Materiellen mit Haut und Haar verpflichtet
Auf diese Art sein atavistisch Sein gelichtet
Trinkt trübstes Wasser aus Fässern eichern
Tatsächlich ist das Leben ihm unsäglich schwer
Dem stets pedantisch atmend Kernkraftingenieur
Deine Augen sind müde geworden hinter diesem Schalter
Dabei hast du doch dafür noch nicht einmal das Alter
Du solltest eigentlich nur in jugendlichem Frohsinn fliegen
Schlaflos und trunken von endlosen Gefühlen nie genug kriegen
Statt dessen drückst du deine frischen Tränen in die Kissen
Ein dumpfes Ahnen dich könnte niemand und nichts mehr vermissen
Deine Gedanken reden dir ein es wäre alles längst vergangen
Doch eigentlich hat noch gar nichts so richtig angefangen
Am letzten Bahnhof hast du in irgendeiner Ecke dein Lachen vergessen
Es so einfach mir nichts dir nichts achtlos liegen gelassen
Ein Gefühl als gäbe es für dich wirklich überhaupt nichts zu fassen
Aber dich so ganz einfach zu trösten wäre doch ein wenig zu vermessen
Das Frühjahr tanzt um die Löwenzahnteppiche:
So gelb, so gelb, sieh’ weg, es gilbt.
Deine Augen zeigen auf die blaue Iris
So blau, so blau, sieh’ weg, es bläut.
Es dringt in die Atmung der Narzissen Duft,
Die Flügel sie beben: denn nur heiße Luft ...
All die Hyazinthen und Tulpen so künstlich gezüchtet
Gleich vielen Menschen talmihaft zugerichtet!
Die nackte Haut auf pastellene Primeln betten
Träumend atmend ein wenig Fernsein retten.
Schenk die Osterglocken den Redenschwingern,
Die euphorisch nach größter Einheit ringen.
Künstliche Rosen den blindwütigen Megalomanen!
Plastikblumen an die welche Euphorien planen!
Während Maiglöckchen bescheiden grüßen,
Palmkätzchen deine Poren umschmeichelnd versüßen,
Rennen die Tumben aktionistisch an ihre Podeste:
Bekränzen mit ausgerupfter Natur ihre seichten Feste.
Sie sind nichts als geschichtsträchtig endlos verwirrt
Und können nicht sehen wie man oft schon geirrt.
Und wer da glaubt es ginge mit Nelken
Dem sei versichert:
Auch jene verwelken ...
Gedichte aus dem Zyklus "Herbstnebel nach heiligem Jahr"
Zyklus "Herbstnebel nach heiligem Jahr"
(Viele Leute haben in grenzenloser Euphorie seinerzeit das kommende Jahr 2000 als “Heiliges Jahr” bezeichnet. Diesen Gedanken kann meiner
Meinung nach nur teilen, wer von sehr einfachem geistigen Gemüte ist. Der politische Betrachter der Szene wird nicht umhin können, festzustellen,
daß gerade in der Folge dieser Zeitenwende die Dinge sich alles andere als “heilig” entwickelt haben. In Zusammenhang dieser Gedanken und in
der Folge habe ich bis zum Frühjahr 2004 diesen Gedichtzyklus geschaffen, von dem hier ein kleiner Ausschnitt präsentiert wird.)
Mumpitz Pampe Tecumseh
Flackernde Lichter in Gesichter
Gehe einfach hin und seh
Doch die Enge wird noch dichter
Wir wollen uns schnell fassen fest
Am Schleim sich dann bereichern
Wenn die Zeit es so zuläßt
Gleichwohl mit Blicken bleichern
Zugleich Pißrinnendiskussionen
Wie zu bessern diese Zeiten
In Inzucht selbst sich dann belohnen
Während andere lüstern gleiten
Stoßen reiben streicheln spielen
Unter Sonnenstrahle beim Verführen
Selbsterkoren Experten nur Papiere wühlen
Sitzen zwischen tausend Stühlen
Nur in funkelnd Augen blicken
All die Winde sind verblasen
Sich am Porenduft erquicken
Kotzen auf die dürren Phrasen
All die hehren Geister lesen
In ihrem Denken sich verrennen
Halt das ist doch längst gewesen
Andere kassieren längst die Spesen
Osama Bush spricht in die Welten
Singt sein selbstgefällig Einfaltslied
Für ihn ganz andere Regeln gelten
Metamorphosiert ist längst sein Glied
Wo viele sich im Grünen wälzen
Bis endlich kommt ein kalter Schnee
Andere endlos Wolle schmälzen
Mumpitz Pampe Tecumseh
Ein klitzekleines Wölfelein freut sich aufs heilge Jahr
Es wird dann alles besser werden
Alles viel schöner hier auf Erden
Weil dies bei solch Ereignissen immer schon so war
Es blitzt und donnert und es kracht es ist die 2000 Nacht
Schnell der Alkohol in Strömen fließt
Nur ein paar Dumme bleiben verdriest
Laßt sie hängen denn ab jetzt wird gute Zukunft gemacht
Das Wölfelein sucht sich die Wege die es gerne einmal sähe
Dort im Schloßgarten ein Lämmlein fein
Könnte vielleicht ein Stück der Zukunft sein
Schnurstracks das Untier schleicht sich schnell in Lämmchens Nähe
Da ward ein Maul weit aufgerissen Zähne bleckten wie nie gesehen
Der Wolf ward bald vom Lamm gefressen
Es hatte die Natur vergessen
Das heilge Jahr wie immer schon machte rein gar nichts ungeschehen
Wie die Falter faltern und die Bienen bienen
Und die Hunde hunden und die Menschen dienen
Wie die Schläger schlagen und die Schreier schreien
Die Soldaten soldaten und die Toten sich befreien
Es funkelt der Mond am Himmel
Die Sterne besteigen ihre Bahn
Die Adlaten leben ihren Wahn
Und über ihnen viel Gebimmel
Tausend
Eintausend
Zweitausend
Zukünftige Heiligkeit
Euphemismus der Stupiden
Hoffnungen am Kreuze
Schwer gebeugt unter den Bildungswogen
Um so viel Hoffnungen dann betrogen
Wir wollten nur glauben was uns gepredigt
Doch die Wahrheit hat sich schnell erledigt
Die Luft geriet schneidend die Winde heulten
Während wir weidend unsere Seelen beulten
Der aufwärtige Weg führte steil hinab
Am Ende stand einfach ein dürres Grab
Jahr Zweitausend
Jahrtausend
Jahr sausend
Jahr saus
Jahr aus
ahr us
ar us
aus
Die Herbstnebel steigen wieder aus dem Tal
So wie sie es stets gehalten
Sie lassen sich selbst auch keine Wahl
Regeln die schon immer galten
Es brodelt und gischt hört ihr Fichtenwipfel
Keine Auge erklimmt mehr die hohen Bergesgipfel
Welch Narr möchte jetzt noch die Gischt durchdringen
Und sich selbst in graue Fesseln tief einzwingen
Welch Warten auf Frühjahr und Sonnenhöhe
Derweil wertvolle Zeit sinnlos vergehe
Die Herbstnebel steigen wieder aus dem Tal
So wie sie es stets gehalten
Es ist eine Form der anderen Wahl
Und die sollten wir uns offen halten
Kann ein Jahr denn heilig sein
Der gute Verstand sagt dazu Nein
Ein Jahr wird nur das was man daraus macht
Doch dieser Gedanke sich oft schwer entfacht
Heiliges Jahr
Namenserfindung kleiner Geister
Heiliges Jahr
Hoffnungseuphemismus der Untätigen
Heiliges Jahr
Findet wohl eher bei den Ungläubigen statt
Kann ein Jahr denn anders sein
Gewiß wenn man sich spürt nicht klein
Wenn man sich wehrt mit aller Kraft
Dann bekommt ein Jahr so seinen Saft
Es ist vielleicht dann nicht gleich heilig
Aber man lebt ein klein weniger eilig
Man schrumpft auch nicht zum reinen Büttel
Und findet Macht gegen der Obrigkeit Knüttel
+++++++++++++++++++++++++++++
Zuneigung
Wenn du dich fragst was es denn sei
das naht und dich schnell lobt
es ist der Chef der eilt herbei
schmiert Zucker dir aufs Brot
Gar nichts von dir sei ihm vertraut
fast alles scheint ihm fremd
ja er greift nur nach deiner haut
und will dein letztes Hemd
Sie alle mögen dich ganz heiß
Bei ihnen sollst du tanzen
Doch saufst du ab gehn sie ganz leis
und schonen sorgsam ihre Ranzen
Der Tölpel
Es war ein emsig Tölpeltier
und es schrieb und las und sah
alles fraß mit großer Gier
und dachte es sei nah
all dem Geschehen dieser Welt
nichts blieb davon verschont
dabei ging es ihm nur ums Geld
stets fragend ob es lohnt
Und als der Reichtum angeschafft
vorbei war nun all die Not
da ward es schnell hinweggerafft
von klopfend Gevatter Tod
gedichte zur angeordneten weiterbildung und
ihrer obrigkeitsgefälligen dynamik ...
(- ein kurz(schluss)zyklus -)
i) versuch in gruppendynamik
kärtchen gemischt und kärtchen gezogen
gegriffen im zufall gleichwohl ganz verbogen
grüppchen gebildet und grüppchen gefunden
gesprochen im schweigen ganz ungebunden
ziellos gesessen und auch ziellos gegessen
die zeit ganz fest platt an die wände pressen
hände verkrampfen und in unterleibe krallen
ein blähen und gurgeln und ein endlos lallen
gefesselt auf stühlen gestrauchelt im denken
im suchen nach sinn sich die glieder verrenken
auf weissem papier strichmännchen gewogen
tatsächlichen stillstand vom hirn fortgelogen
ii) es tanzt der bär
es zottelt im saale es trampelt in zeilen
gezwungenermaßen in bildung verweilen
buchstaben sortieren und sätze verwalten
die hintern festkneifen das rückgrat verhalten
blicke am rande des eigenen tellers festzurren
nur ja keinen laut der könnte klingen wie murren
es nähern sich pranken auf brettern die schwanken
die sinnlosen silben auf ganglien entlang ranken
das felltier spielt auf zu seinem albernen tanz
und niemand wagt zu zertreten den zottligen schwanz
iii) der bär tanzt immer noch
und sitzen wir erst da und gibt es kein entrinnen
es dehnt sich das gespäch hinein es gilt zu sinnen
wer was warum wohin in alle welt gegangen
und all die hier verweilen so endlos tief gefangen
es räuspert rülpst und gurgelt aus kaltgepressten herzen
längst erfriert auf eis was einst noch hoffend scherzen
es dunkeln sich die fenster von schwarzem bärgezottel
da wird es siedend heiß man macht sich selbst zum trottel
iv) die belobigung des bären
guter bär du schleichst so stille
ganz gewand und zielbewußt
leicht verborgen eisern wille
mit dem du andere stempeln mußt
in schein und sein ganz durcheinander
die zeit jagt dich durch wälder heim
es gilt zu jagen in störend mäander
man sollte glätten und fröhlich bei wein
eigene hast ruhig den anderen zu weisen
und sich dann seiner erfolge zu preisen
(Anmerkung: gewand und nicht gewandt !)
v) wo isser denn der bär
pfotentritte in aufgeweichtem grund
abdrücke in tauenden schneeresten
richtung wegwärts jedenfalls fort
zottelreste an dornenhecken gehakt
aufgereiht in abständen unregelmäßig
gleich einer unordentlichen garderobiere
ein hauch von bärendunst noch überall
jedoch geschwärzet ins dunkel gehüllt
das brummen fernab sich im nichts verlierend
was einmal tanz ist nun freudloses tappsen
unbeachtet ungewichtet ungezählt ungesehen
bärenfell versucht verjährende runzeln zu decken
gleichwohl nicht dicht genug nicht hinreichend warm
vi) gruppendynamik der gruppendynamik
rumpel pumpel käseküche es rinnen streng die geistesgerüche
im händchen halten sich entfalten und sein kleines ich verwalten
ein klein wenig ringelpiezchen und dazu klein müller lieschen
nur nicht zu laut und nicht zu leise hinein in diese grüppchenreise
wir wollen doch die welt entdecken hervor was hinter dichten hecken
ein wenig suff und ein bankett das macht so manchen alltag wett
schnell die brille aufgesetzt sorgsam die messer scharf gewetzt
und auf gehts gegen all die laffen die es wagen hier zu gaffen
die hier kommen mit räsonieren oder gar offen kritik probieren
wer will es wagen kommt sagt an zu ändern das was man hier kann
man wirds euch geben wirds euch zeigen wer nicht tanzt hier in dem reigen
der wird schnell vor die tür gestellt hat nichts zu suchen in dieser welt
wir wollen tanzend pflegen unser wesen an ihm soll alle welt genesen
und wer nicht fällt unter unsere huld mein gott der ist halt selber schuld
Tagträume
(13.11.2004)
Es dämmert der Tag, ein frohes Vogelerwachen,
Tauwiesen laden ein zu erquickendem Ruh’n.
Seelen blinzeln ins Licht, wollen Verrücktheiten machen,
Die Poren durchnäßt vom morgendlichen Tun.
Noch weit sind die Rufe verpflichtenden Erwartens,
So ferne scheinen Dinge aus fortgeschrittener Welt.
Man darf sich noch lümmeln in weiten Beeten des Gartens,
Bedeckt ganz sacht vom Licht aus Sternen gemalten Zelt.
O fühlt diese Ruhe, atmet die Stille,
Haltet die Hände, noch sind wirklich da:
Dies alles zu pflücken, so lockt ein strebend Wille,
All dies nur zu halten - auf ewig, ganz nah.
Zyklus “Lasset Fahnen schwenken, Lieder brüllen”
Brüllen, Freundschaft zu halten:
Gastgeber aller Gastgeber zu sein.
Zu Gast bei Freunden:
Die Selbstbestimmung eigenen Seins.
Herbeireden und Beschwören
Als Spielformen von Wirklichkeit.
Fahnengeschwenke, Stoffeuphorie.
Eine Welt in SchwarzRotGold.
Hymne mit Strophendefizit –
So an Wehmut leidende Genossen:
Furcht vor Zukurzkommen
Im Singen und Tanzen und allem;
Forderung nach Verlängerungen,
Mehr Strophen, um mehr zu singen.
Mehr Begeisterung, um mehr zu hoffen.
Rufe nach Ewigkeitsgeltungen.
Das Goldene Kalb in neuer Form:
Selbst tönend,
Selbst kreisend,
Selbst tanzend!
Ereignisinszenierungen:
Tumbe Bewegungen als Erfolg,
Flüchtige Umarmungen als Freude,
Autokorso und Hupenlärm als
Zeichen gemeinsamen Erlebens
Und Zusammenstehens ...
Freischwimmerversuche:
Weg mit Zurückhaltung.
Fort mit Schuldkomplex.
Abschied vom Gestern.
Wieder Wer sein,
Bekenntnis zur Nation.
Sichtbare Zeichen
Als Aufbruch aus inneren
Ketten und Zwanghaftigkeiten.
Freifliegen. Losgelöst.
Identität neu geschaffen
Klinsmannbegeisterungen
Als Hinweis auf Möglichkeiten.
Vorbild zur Überwindung
Aller Not, allen Übels, aller Apathien.
Heldenerschaffung:
künstlich,
oberflächlich,
täuschend,
Alltäglichkeit vergessen:
Steigende Kosten im Leben
Sinkende Chancen im Tun
Ermüdende Volksvertreter
Einschränkungen, Einengungen,
Zerfall demokratischer Struktur.
Suche nach Alltagshelden!
Nach Lichtgestalten!
Sehnsucht nach Dauer
In evolutionärer Echtheit!
Suche nach Vorbildern!
Nicht jenes Mediengeprotze
Als Zeichen öden Seins.
Da stehen sie wieder:
Beschwören die Vergangenheit.
Aus ihren Mündern
Triefende Euphemismen.
Reden von Leistung und
Erfolg und Aufbäumen,
Von den gesehenen Möglichkeiten.
Verlangen beständig Orientierung
Am sommerlichen Vorbild.
Deutschland als Sommermärchen!
Sie stehen da, jene Optimisten:
Hängende Mundwinkel,
Eingefallene Schultern,
Eingetrübte Blicke.
Doch Worte triefen als
Beschwörungsformeln,
Als gelte es herbeizureden
Was längst gestorben ist.
Zumindest so nicht:
Wiederauferstehung!
Eklige Anbiederungen.
Dreiste Postenabsicherung.
Bewahren von Pfründen.
Täuschung und Selbsttäuschung.
Jahrmarkt der Unerträglichkeit.
Tanzfest aus Verlogenheit.
Fahnenschwenken als dürres Windgeräusch.
SchwarzRotGoldmelodien als Sirenengesänge.
Totschlagen wesentlicher Lebenszeit,
Leugnen verdrängter Notwendigkeiten.
Seht sie da stehen, Hand in Hand:
(Frühjahrsmüdigkeit als Beginn.)
Hört sie dort reden, leere Phrasen:
(Sommermelancholie als Aufgabe.)
Erlebt sie im Feiern und Beschwören:
(Herbstdepression als Buntkleid.)
Schaut sie vereint im Singen endloser
Beschwörungsformeln und Lügen:
(Wintertristesse als hüllender Mantel.)
Leise Töne beständig einfordern:
Melodiös, echt und aufrichtig.
Wieder wahre Melodien leben:
Kadenzen spüren,
Sich nicht an Nebensächlichkeiten
Verkaufen.
( 2007)
Und nun wird es (leider) noch weniger lieblich und überhaupt nicht mehr romantisch:
Das folgenden Gedicht trägt bereits im Reimschema (aber nicht nur dort) der Tatsache Rechnung, daß es im Lande immer wieder Kreise und Arten von Quasi-Kasten gibt, die sich zumindest realiter (weitgehend) blind für die Belange anderer Personen geben, dabei selbstverständlich die eigenen Interessen niemals übersehen oder gar übergehen. Mag die Einfaltslosigkeit derer Denkweisen auch oft vordergründig nur mehr lächerlich anmuten, im Ergebnis vergeht den von deren Handeln und Entscheidungen Betroffenen dann oft sehr schnell das Lachen. Es ist nicht selten so, daß eklatante Einfalt, unerträgliche Rücksichtslosigkeit und ein hohes Maß an Inkompetenz Ergebnisse zeitigen, die alles andere als "lustig" sind. Wir begegnen derartigen Phänomenen besonders häufig im politischen Bereich, in Administrationen, aber nicht nur dort ...
Der Aufmerksame und Wachsame sowie Kritische wird bedauerlich schnell fündig, wenn es darum geht, wenigstens faktisch wirkende Egozentrik aufzuspüren. Ein tolles Beispiel erleben wir gerade heute (5.November 2007) wieder aus dem politischen Bereich: Haben sich die Koalitionäre der derzeitigen Koalition aus SPD und CDU/CSU über strittige Punkte (noch ?) nicht einigen können, so war man sich in der exorbitanten Erhöhung der Diäten sehr schnell einig. Die Rede ist von etwa 10%. Und was wird den Arbeitnehmern alles an Bescheidung und Einschränkungen, an Flexibilität im Umgang mit unliebsamen Sozialanforderungen abverlangt?!? Vielleicht ist es auch erwähnenswert, daß gute Parlamentarier selbstverständlich auch gutes Geld erhalten sollten: Die Betonung liegt aber auf "gut". Wer das öffentliche Auftreten und Wirken so mancher Abgeordneter beobachtet, dem kommen erhebliche Zweifel an deren Qualität und damit verbunden auch wohl Gedanken, jene seien ohnehin längst überbezahlt. Sie sollten nie in ihrem Reden (auch in ihrer medialen Selbstdarstellung!) und Handeln vergessen, daß sie zum "Wohle des Volkes" zu wirken haben.
Die Gehälter/Diäten der Bundestagsabgeordneten sollen in zwei Stufen um rund 700 Euro auf knapp 7700 Euro steigen, also um 9,4%. Die Altersbezüge werden von bislang 24% auf 20% ihrer Abgeordnetendiäten gesenkt werden. Bereits nach 2 Legislaturperioden sind Abgeordnete pensionsberechtigt. Für jedes weitere Jahr im Bundestag gibt es dann 2,5% mehr (bislang 3%). Die Erhöhung soll sich zukünftig automatisch an den Richtergehältern orientieren. Dabei ist jedoch zu beachten, daß Abgeordnete zusätzlich eine sehr hohe steuerfreie Aufwandspauschaule (derzeit 3720 Eur) monatlich erhalten.
Aber es sind ja nicht nur die Abgeordneten die bei den 'normalen' Arbeitnehmern hinsichtlich Bezahlung und Lohnsteigerungen Verwunderung auslösen, sondern wir kennen das ja aus dem Management verschiedenster Betriebe, auch von jenen, wo Unsummen von Geld gerade von den Entgeltsteigerungs-Proviteuren in den Sand gesetzt worden sind, faktisch also schlechte Arbeit überproportional gut bezahlt wurde.
All dies stimmt doch etwas nachdenklich, nicht wahr?
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Die folgenden Zeilen fielen mir während meiner persönlichen Assoziationen bezüglich der Gesamtsituation in diesem unseren Lande ein. In diesem Zusammenhang erinnerte ich mich spontan an eine Textzeile aus Leonard Cohens Song "Democracy": "I love the country but I can't stand the scene!"
Brutal-Reim-Politrapping
Und schlägt der Arsch auch Falten
Wir bleiben doch die Alten
Glauben stets gut zu gestalten
Vor allem die Diäten gut verwalten
Und unsere Pfründe fest erhalten
Sensibilität mag getrost verkalken
Einfühlsamkeit lassen wir veralten
Immer sich vorsichtig nur entfalten
Bei Dingen die verbindlich galten
Wir nun bedächtig uns enthalten
Sich gegenseitig optimal unterhalten
Alles sich nach Gutdünken vorbehalten
Bedrohungen immer geschickt aufspalten
Bei Kritiken geben wir uns ungehalten
Man selbst bleibt so ganz wohlbehalten
Und wo düstere Wolken sich ballten
Zielstrebig schnell erfolgreich zerspalten
Beruhigungsworte an die Abgeprallten
Für sich selbst Fakten und Taten schalten
Zu weiteren bequemen Aufenthalten
(Thomas J. Harding, 05.11.2007)
Bei der Frage nach dem, was man aushalten sollte, wem oder was man sich aussetzen sollte, darf man ruhig sich einmal auch zusätzlich an Albert Einsteins (1879 - 1955) folgender Aussage orientieren:
"Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt."
Ich denke, diese Feststellung ist empirisch ausweisbar und das Ergebnis rechtfertigt es, sich jener Spezies -- so gut es halt irgendwie geht! -- ganz bewußt zu entziehen, sie (weitestgehend) zu (ver-)meiden. Eine geistige und emotionale Bereicherung wird man durch sie wohl nicht erfahren können, zur Verbesserung der Welt tragen jene mit Sicherheit kein Jota bei. Den anderen jedoch, die von dieser Aussage nicht erfasst werden, ja, denen wende man sich mit aller Inbrunst zu! Eben: die Spreu (wobei man hier vielleicht in vielen Fällen gar dem Begriff "Spreu" Unrecht antut!) vom Weizen trennen ...
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Und doch nochmals ein paar Worte zu Talkshows! Ja, ich weiß, man sollte sie mittlerweile einfach ignorieren -- wegen der dort gezeigten Qualität. Diskussionen finden da zuallermeist nicht statt. Diskursivität findet man da schon gar nicht! Also nur Gerede, meistens noch in einem undisziplinierten Durcheinander. Oder sollte man es volkstümlich nur mit "Geschwätz" beschreiben? Schon seltsam, was einem da häufig als Experten oder gar Intellektuelle vorgesetzt werden. Natürlich -- man kann wegschalten und hat so seinen persönlichen Frieden ... ABER: Überläßt man damit nicht einer Gruppe die Meinungsführerschaft, die weder von der Sachkompetenz (damit meine ich hier die Fähigkeit komplesxe Zusammenhänge auch als solche zu erkennen und darzustellen!) noch von der Repräsentanz her dazu faktisch autorisiert werden sollte. Es gilt dann doch, sich auch hier einzumischen und gegen diesen Trend der Vereinfachung (was jene Moderatoren und Moderatorinnen oft eben den von ihnen ins Ziel genommenen Personen und Sachverhalten vorwerfen ...) ein Zeichen zu setzen! Sie sollen wissen, daß sie eben nicht sakrosankt sind, daß sie gerade nicht die Weisheit gepachtet haben, daß sie eben nicht Zusammenhänge vollkommener und besser erfassen, geschweige denn darstellen, als es der Durchschnitt der Bevölkerung vermag. Ja, jene Moderatoren und Moderatorinnen sind in den meisten Fällen nur: Durchschnitt. Manche versuchen dies mit narzißtischem Gebaren zu übertünchen, aber diese Art der Selbstverliebtheit wird doch vielen Zusehern sehr schnell deutlich und sie können dann den (persönlichen als auch inhaltlichen) "Weizen" sehr wohl von der "Spreu" trennen. Gleichwohl ist Fakt: sie halten sich im Programmablauf zeitlich gesehen wie Kletten und alle Zuseher müssen dieses Tun und Treiben über ihre Gebühren bezahlen ...
Da gerieren sich dann auch schon mal Leute als "mutig", indem sie mainstreamhaft in ausgetretene Fußstapfen treten und sich dabei -- wohl aufgrund ihrer gehobenen Position im Meinungszirkus!? -- als besserwisserisch und selbstherrlich gerieren, oft bis hin zu einem Punkt, wo man fast schon geneigt wäre, bei sich den Mechanismus des Fremdschämens in Gang setzen zu müssen. Natürlich unterbleibt dies dann nicht nur aus gesundheitshygienischen Gründen, sondern auch weil man sich an Sartres bekannten Satz erinnert: Das Nichts nichtet ...
Ich könnte fast jede beliebige Talkshow nehmen. Diesmal eben die von Sandra Maischberger ("Menschen bei Maischberger") mit den Gästen Anja Reschke (u.a. Panorama Moderatorin), Til Schweiger (Filmproduzent, Schauspieler), Andreas Scheuer (CSU-Generalsekretär), Roland Tichy (Wirtschaftsjournalist) und Sevim Dagdelen (migrationspolitische Sprecherin der Linken), stattgefunden am 18. August 2015, Thema: "Flüchtlingskrise: Politiker ratlos, Gesellschaft gespalten."
Was da inhaltlich geboten wurde, war schon mehr als dünn und armselig, diente vor allem keineswegs der eigenen Fortbildung. Es war eher aufschlußreich hinsichtlich Verfaßtheit und Struktur der jeweiligen Teilnhemer ... Diszipliniert und stringent verliefen die Auseinandesetzungen (von Diskussion konnte man da wahrlich kaum sprechen!) jedenfalls keineswegs.
Vor allem auch die Beiträge des mir eigentlich ansonsten zumeist sympathischen Til Schweigers zeigten nicht gerade Substanz, was Hintergrundinformation angeht: So sollen die Gastarbeiter Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben, wir Milliardenzahlungen nach jenem Kriegsende erhalten haben und uneingeschränkt vom Euro profitieren. Historischer Nachhilfeunterricht à la Schweiger? Sachlich weitgehend aber falsch, intellektuell (so denn dies sein Anspruch an sich selbst sein sollte) mitnichten. Eine weitere Unkenntnis zeigte er hinsichtlich deutsches Steuersystem als Til Schweiger forderte den Solibeitrag für den Bau von Asylunterkünften umzuwidmen. Und bekanntlich läßt sich auf falschen Annahmen keine logische und zielführende Gedankenverknüpfung erstellen. Das sollte er eigentlich wissen.
Nota bene: Was die Zahlung von Milliarden angeht, meint Schweiger wohl die Marshallplanhilfen nach dem Zweiten Weltkrieg. Jene wurden von 1948/49 bis 1952/53 gewährt und zwar an europäische Länder insgesamt in einer Höhe von 13908,9 Millionen Dollar, wovon Detschland (Gebiet der späteren BRD) lediglich 10.16%, also 1412,8 Millionen) erhielt. Begründung der Amis für die Hilfsleistungen waren unter anderem: Eine Hilfe für notleidende und teilweise hungernde Bevölkerung Europas, die Eindämmung der UdSSR und des Kommunismus sowie die Schaffung eines Absatzmarktes für die US-Überproduktion. Selbsterklärend ist auch die eigentliche Bezeichnung des damaligen Hilfsprogramms: European Recovery Program (ERP). Daß die Gastarbeiter einen wesentlichen Beitrag zu unserem weiteren Wirtschaftswachstum geleistet haben, ist natürlich nicht zu bestreiten -- aufgebaut haben sie Deutschland jedoch in keinster Weise ...
Auf die weiteren Beiträge möchte ich hier nicht mehr eingehen, man findet jene leicht im Internet. Es geht mir in erster Linie darum, die Fragwürdigkeiten solcher Veranstaltungen einmal mehr zu akzentuieren. Im Vergleich zu mir und zahlreichen öffentlichen Bekundungen, die eben jene "Gesprächsrunde" als -- gelinde gesagt: nicht gelungen -- kommentieren, kommt allerdings -- das soll nicht verschwiegen werden -- die Bild-Zeitung zu einer positiven Bewertung: "Eine bemerkenswerte Talk-Runde, die mit Gefühl, aber auch Sachlichkeit diskutierte. Sandra Maischberger ist ein interessantes Comeback nach der Sommerpause gelungen." Na denn, ob das wohl der Beifall von der Seite ist, die man sich wünscht?
Noch eine letzte Anmerkung: Die Sendung heißt ja bekanntlich "Menschen bei Maischberger". Hat sich schon einmal jemand die Mühe gemacht, diesen Titel etwas zu hinterleuchten. Was sollte denn sonst bei einer "Talksshow" anwesend sein können als Menschen? Oder ist hier implizit gemeint, es handele sich im Gegensatz zu den übrigen Bürgern und Bürgerinnen um "ganz besondere" Menschen? Oder was sonst soll diese Formulierung ausdrücken? Da wäre es schon interessant, einmal zu sehen, wie in Richtung sinntragender Antwort ohne jeglichen Aspekt von Ausgrenzung und Diffamierung von den Programmgestaltern "zielgeeiert" würde ...
Auch wenn ich weiß, wie mit Leserbriefen in aller Regel verfahren wird (sicherlich nicht nur aus zeitlichem Aufwand), habe ich an die Redaktion schnell und ohne großen Aufwand zu betreiben eine E-Mail geschrieben, deren Inhalt ich nachfolgend präsentiere:
"Sehr geehrte Frau Maischberger,
Sie entwickeln sich leider zunehmend von einer doch einst beachtenswerten Moderatorin hinweg zu jemanden, dem Diskursivität wohl nicht am Herzen und im Geiste liegt. Es ist schade, dass Sie manipulierend lenken und dirigieren, statt ALLE Teilnehmer hin zu einem sachlichen und wenigstens einer Diskussion würdigem Verhalten zu führen. So entsteht allenfalls sinnloses Gerede und ein konfuses Durcheinander. Sie intervenieren zunehmend öfters dort nicht, wo es notwendig wäre, stattdessen meistens dann, wenn es deplaziert und einer konstruktiven Auseinandersetzung gegenüber kontraproduktiv wirkt. Vielleicht wäre eine Rückkehr zu Ihren früheren Tugenden einem Personenkreis, dem es um Sachinformation und nicht um Polemik und Verkürzungen geht, überlegenswert ...
Interessant auch Anja Reschke in Ihrer Sendung: Da konnte man einmal hautnah erleben, wie spracharm und diskussionsunfähig sie ist, wenn sie nicht vom Prompter und von vorbereiteten Manuskripten Krückstockhilfe erhält. Und die Mehrheit hält ihre Äußerungen auch noch für "mutig". Wie leicht es sich doch aus gesicherter Existenz und von einer Art Mainstream abgeschotteter Existenz "mutig" sein läßt ...
Warum ich da zumeist mehr an Bildzeitungs-Journalismus erinnert werde? Man muß eben aufpassen, daß eigenes Tun nicht schnell in die Nähe von billiger Propaganda gerät. Für Letzteres sollten wir dann freilich keine Gebühren zahlen und berufliche Existenzen absichern helfen müssen.
Mir ist klar: Diese Worte (nicht: Wörter!) sind aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein "blowing in the wind", aber sie sollen ruhig wissen, dass nicht alle diese seichte Art des Umgangs mit Information schätzen. Und glauben Sie mir, damit bin ich gewiß nicht alleine!
Ihnen und Ihrem Team wünsche ich gleichwohl weiterhin alles Gute und vielleicht auch etwas mehr Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstkritik, also auch weniger Saturiertheit und Selbstverliebtheit in dem Umgang mit Realität.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Buchenau M. A."
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