Gedichte mit Bildern I
E r i n n e r u n g e n
an Thomas Hardy (1840 - 1928)
Weil nicht beizeiten genau sein Maß gefunden,
Sich in die Natur nie angemessen eingebunden:
Als Übermaß aus jeder Ordnung empor gewunden
Schlugen dem Urvieh dereinst die letzten Stunden.
Menschen staunend nun vor diesen Skeletten stehen,
Sensationsberauscht jedoch die Menetekel übersehen,
Alle Mahnungen auf Rücksichten stets übergehen:
Verdrängend gerechte Ernte aus unbedachtem Säen.
Dem Urvieh und dem geistlos Mensch gemeinsam:
Die Hybris, anderes sei nichts als willig Untertan.
Daraus eine Selbstgefälligkeit endlos unausgegoren
Ein eigen stetig Dasein dabei schon längst verloren.
Doch wer blind und taub entflieht dem Grollen,
Wer derart rücksichtslos verfolgt sein Wollen,
Der wird beizeiten grenzenlos zurecht gerichtet:
Gründlichst gewogen und viel zu leicht gewichtet;
Und weil sie nicht sittsam die Zeichen der Zeit geachtet,
Wird die Spezies Mensch bald auch als Skelett betrachtet.
( 03.12. 2007 )
Das Kulturpferd
Auf all den vielen geweihten Straßen
Wo einst deutsche Auserwählte saßen
Die Kultur in schwindelnd Höhen trieben
Ihren Geist in endlos große Worte schrieben
Da treibt sich heut das große Staunen
Gepaart mit bedeutsam blickend Raunen
Dort hört man eitel laute Freudensrufe
Und schließlich auch den Hall der Hufe
Die Kutsche gemütlich um die Ecke biegt
Der Gast sich darin in Ehrfurcht wiegt
Doch das Pferd jäh gestört beim Laufen
Von einem garstig stinkend Haufen
Es empört nun mit den Lüstern schnaubt
Die Behaglichkeit ward ihm so geraubt
Denn eifersüchtig will es itzo wissen
Wer das hat auf die Straß geschissen
Und so letztlich die Erkenntnis bleibt
Sich immer jemand an etwas reibt ...
(5. August 2010, nach Besuch in Weimar)
Sehnsucht
Laß mich die vollen Strände fliehen,
Die vielen lauten öden Weisen meiden,
Die Nacktheit ihres Schein entkleiden,
Zu der Stille lindernd Schatten ziehen.
Seht wie wertvoll hier die Zeit entschwindet:
Eine Langeweile sie in die Kaufsucht treibt,
Und viele von üppig Fressen allzu beleibt.
Aber auch der Blick zu sanften Kurven windet.
So scheint man stets hin und her gerissen,
Vereinnahmt von der Sehnsucht bohren;
Dann wieder angeekelt durch die Toren!
Kaum mehr ein lohnend Ziel zu wissen.
Wo man sich könnt in Ruhe schmiegen?
Ach, sagt mir, wer weiß das schon!
Wo harrt der Anstrengung Lohn?
So sich im Trügerischen nur noch wiegen?
Den Blick der nackten Haut entwendet:
Den leeren Schein hinweg verbannt!
Gleichwohl der Zweifel, ob verkannt
Oder ob man längst sich selbst entfremdet?
Die Sehnsucht in fernes Licht einbinden,
Den Sog der Freiheit so zu spüren.
Dort öffnen ewig sich die Türen
Verbrennend in das Nichts entschwinden.
Von Entfernung zu Entfernung wandeln
Nach Möglichkeiten endlos fluchen
Mit vagen Gedanken sich verbandeln
Und selbst den Teufel noch versuchen
Hinein in dunkle Netze schreiten
Dorthin wo Krusten fangen an zu beben
Seht Horizonte wie sie sich weiten
O Blindheit du vergißt zu leben
O holde Nacht!
Den Tag allein, den möcht ich fliehen,
Hinweg von Drangsal, Müh' und Pein;
Dorthin wo die Gedanken ziehen
Ist man dann letztlich auch allein.
Die Süchte stets nach Weite drängen,
Nach Antwort unerreichbar fern.
Verträumt Gedanken in Winde hängen
Dienen sie auch dem falschen Herrn.
Laß doch die Ketten sanft entgleiten,
Atme den frischen Porenwein!
Die Arme einfach auszubreiten
Gespiegelt dann im Widerschein
Im Meer der Lüste aufzutauchen
Und baden in der Sehnsucht Schleim!
Schmerzfrei fremden Atem hauchen
Gelenkt von Phantasien insgeheim
Sich auf dem Wege kosen lassen!
Das Licht lockt mit endloser Heiterkeit:
Ein Frohlocken so völlig ausgelassen
Und als Ende tiefselige Dunkelheit.
Gratus sum, non ut alius mihi libentius praestet priori inritatus exemplo,
sed ut rem iucundissimam ac pulcherrimam faciam;
gratus sum, non quia expedit, se quia iuvat.
(Dankbar bin ich, nicht damit mir ein anderer lieber einen Gefallen erweise,
durch mein Beispiel zuvor angespornt, sondern um eine
hochwillkommene schöne Tat zu vollbringen;
dankbar bin ich, nicht weil es nützt, sondern weil es erfreut.)
(Seneca, Epistulae Morales X,81,20)
Selig, wer sich nicht in das Gewühl zu mischen braucht und in der
Stille auf die Gesänge seines Geistes horchen darf.
Friedrich Schlegel
Non quia difficilia sunt non audemus, sed quia non audemus difficilia sunt.
(Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.)
(Seneca, Epistulae Morales (ad Lucilium), XVII / XVIII, 104,26)
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