Verweilen 1
Ein Schwan
Mein weißer Schwan,
Du stummer, du stiller,
Kein Schlag, kein Triller
Verriet deine Bahn.
Scheu überrauschend
Die Elfe, die träumende,
Glittst du stets lauschend
Die Flut, die leis' schäumende.
Doch dann beim Scheiden,
Als Blicken und Schwören
Nur noch Lügen und Leiden, –
Da, da war's zu hören!
In Tönen aufklingend
Schlossest deine Bahn du; –
Im Tode singend.
Du warst doch ein Schwan, du!
(Henrik Ibsen)
Wer die wahre Geschichte kennt, weiß um das tatsächliche Schicksal dieser Tiere, um ihren permanenten Kampf ums Überleben!
Stiller Augenblick
von Gottfried Keller
Fliehendes Jahr, in duftigen Schleiern
Streifend an abendrötlichen Weihern,
Wallest du deine Bahn;
Siehst mich am kühlen Waldsee stehen,
Wo an herbstlichen Uferfhöhen
Zieht entlang ein stummer Schwan.
Still und einsam schwingt er die Flügel,
Tauchet in den Wasserspiegel,
Hebt den Hals empor und lauscht;
Taucht zum anderen Male nieder,
Richtet sich auf und lauschet wieder,
Wies im flüsternden Schilfe rauscht.
Und in seinem Tun und Lassen
Wills mich wie ein Traum erfassen,
Als obs meine Seele wär,
Die, verwundert über das Leben,
Über das Hin- und Wiederschweben.
Lugt und lauschte hin und her.
Atme nur in vollen Zügen
Dieses friedliche Genügen
Einsam auf der stillen Flur!
Und hast du dich klar empfunden,
Mögen enden deine Stunden,
Wie zerfließt die Schwanenspur.
Dieses Jahr haben es die Schwaneneltern gut geschafft: ihre vier Jungschwäne gesund aufzuziehen ... (Aufnahme vom 15. Dezember 2020)
Gudow 2015
Dämmerung
I
Die alten Fassaden schwinden in Unwirklichkeit,
»Buntheit« erweist sich als inhaltsleere Chimäre.
Parallelwelten, Paralleldenken, Parallelfühlen:
Trennung als die Gestaltung neuer Wirklichkeit!
Versprechungen und Ankündigungen als Gerippe:
Worthülsen, Leerformeln, Phantasmagorien –
Wahrnehmungstäuschung als eine Lebenspraxis.
Leere anstatt Fülle, deutlich: Oberflächlichkeit.
II
Was in Grenzen zu machen, ward längst gemacht,
Was als Trugbild zu denken, ward eben so gedacht.
Wörter ausgetauscht gleich billiger Ramschware:
Von einer ausgestreckten Hand müde in eine andere.
Täuschung als Prinzip, Lüge als Lebensmittelpunkt,
Vorteilswelten erzeugen als neue Gestaltungsweise:
Was es gab zu hoffen, ward, selbsttäuschend, erhofft,
Was es gab zu reden, wurde stets phrasenhaft zerredet.
III
Zerstoben: Hoffnungen und phantasierte Möglichkeit;
Geblieben das dürre Funktionieren in Alltäglichkeit:
Rhythmik als bitterer Cocktail aus Unzulänglichkeiten.
Spiele der üblichen Anpassung, Furcht vor dem Neuem.
Scheinbares Vorwärtsschreiten faktisch nur: Stillstand!
Selbsttäuschung und Lüge – letztlich ein: Gegeneinander.
Feuchtgebiete längst ausgetrocknet, Wärme entwichen:
Kälte und Gleichgültigkeit als die neuen Fundamente.
IV
Seltsame Sisyphusiaden aus Traumwelt und Bewertung,
Mildeorientierung als Verhalten eigener Unfähigkeit ...
Urteilen ausweichen, keine Stellung beziehen. Stumm.
Veränderungen, gedacht, als Stillstand fortgeschrieben.
Statt dessen klar und deutlich werden, Realität erkennen:
Wirklichkeit kettenhaft empfinden, die Öde benennen,
Unerreichbares seiner Verkleidung berauben. Klarheit!
Die früheren Fassaden: zerbröckelt, zerfallen, gestorben.
(Fagusarua, 10. Juni 2019)
Ach Du! 
Ach Du! Der Wechsel muß halt sein:
Alte Zeiten, sie sind längst verloren.
Still welkt am Wege ein Blümelein:
Zur Reifung sind wir halt nicht geboren.
Wir haben letztlich gar nichts geschafft
Und die Zeit hat das Uns hinweggerafft.
(Fagusarua 10. Juni 2019)
... entfernt ...
hinter schreibtischen brüten
anödendes kathedergedröne
bandbreite der selbstdarstellung
in tristem grau bis zu schriller
buntheit – täuschungen aus
diversem schlafrockkorsett:
intersubjektives einvernehmen
hinsichtlich lustfeindlichkeit
nur nach beachtung dürsten
wie schmerzhaft
wie sehnsuchtsvoll
nur nach beachtung dürsten
endlich: eine aufmerksamkeit
wahrgenommen werden
aus entrückter verortung
sich endlich bedeutend fühlen
absurditäten generieren
andere menschen ihrer
biologie entfremden wollen
weil längst selbst entrückt –
der eigentlichen wirklichkeit
normaler aufmerksamkeit
natürlicher wertschätzung
verdrängungsakrobatik mit
wichtigtuerei übertüncht
vom dem natürlichen leben in
einklang von lust und denken
längst aus furcht geflohen ...
versteckt hinter masken aus
unsicherheit und fremdheit
ein rundumgegeifere pflegen
eigene sexualität längst den
sublimierungstaktiken geopfert
gleich pfaffenhaften attitüden
mit gleichgesinnten tiraden
aus wetterhexenhaftigkeit
in die welt hinaus posaunen
kunstwelt aus kopfexzessen
seltsamer marsch in solidarität
gleichgeprügelter
gleichentfremdeter
gleichentsexualisierter
welch dürre seelenlandschaft aus
armseligkeit und ignoranz –
verkürzung von wirklichkeit
entfernt der wesentlichkeit
(Fagusarua 02.11.2018)
Störche in Muhr am See (Juni 2015)
Lebendigkeit spüren wir vor allem dann, wenn wir uns für etwas begeistern.
Ernst Ferstl
dämmerstunden
all das dämmernde im fokus des unverstehens
die nacht erneut neblige vorhänge zerteilend
macht sich breit verankernd in allen fasern
verschwundenes erscheint als erinnerungsbild
gedankenspiele was alles hätte sein können
von wirklichkeit gleich wieder weggewischt
gemeinsame möglichkeiten als regenbogen
kurz entfacht doch allzu schnell verblichen
der schnitter jäh dazwischen gefahren und
er hat seine spur aus endgültigkeit gezogen
kein hätte man kein man hätte sollen mehr
keine fundamente für wiedergutmachung
vorbei jene träume und gehegte hoffnungen
mit der neuen gegebenheit sich abfinden
das carpe diem vielleicht zu falsch gewichtet
verrinnende zeit so nicht gebührend beachtet
schwerpunkte allzu sorglos gesetzt
das drohend fliehende schlicht übersehen
machbares anderen prioritäten geopfert
damit auf neuen spuren einer gestaltung
Das Schwanenidyll in Isny wurde nur durch die zahlreichen überaus fetten Brocken Hundescheiße, die achtlose Camper hier hinterlassen haben, etwas gestört ...
Amselmann
O, flieg' nun mein schöner Amselmann,
Er wird mir sehr fehlen – dein Gesang:
Ich hoffe so sehr er hat auch dir gebracht,
Wofür er täglich ward von dir gedacht ...
Ohne dich wird Zeit sicher etwas leer
Und ich hoffe sehr auf deine Wiederkehr.
Bestimmt wirst du mir tagtäglich fehlen:
Diese Sehnsucht läßt sich nicht verhehlen.
Ob wir uns bald einmal auch wiedersehen?
Wer vermag Schicksale schon verstehen!
Wohin die Winde dich auch treiben mögen,
Tief im Herzen bist du mir stets zugegen:
Dort nisten sie – all die schönen Melodien
Auch wenn die Klänge sanft weiterziehen;
Und sollten die Moiren sich doch entscheiden,
Ein Wiedersehen uns dann doch zu verleiden,
Uns voneinander bald aus alledem loszureißen:
Sollte einem von uns die ewige Sonne gleisen
O, Amselmann, der Gedanke ist mir so bang
Auch wenn er irgendwie bleibt – dein Gesang.
(FagusArua 22.08.2020)
Auf Dinge, die nicht mehr zu ändern sind, muß auch kein Blick zurück mehr fallen! Was getan ist, ist getan und bleibt's.
William Shakespeare
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