Schauen und lesen 9
Ein Verstand mag noch so von gescheiter Struktur sein, wenn es mit ihm aber nicht gelingt, übermäßige Gier zu zähmen und zu kontrollieren, dann hat man von eben jenem
Verstand nur in engen Grenzen etwas. Es soll ja schon einige Menschen gegeben haben, die durch ihre Freß- und Saufgier im Ergebnis erstickt wurden und sich so vom
ansonsten angenehmen Leben verabschieden mußten ...
In Xanten im Stiftsmuseum gibt es unter anderem Kleinode des Erasmus von Rotterdam zu sehen. Hier nun eine These, die sicherlich dem einen oder anderen (gewiß aber nicht den Mainstream-Huldigern) etwas zu sagen hat:
"Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit."
(Erasmus von Rotterdam in seiner satirischen Schrift Lob der Torheit aus dem Jahr 1509)
Ich las, verstand dies problemlos und erinnerte mich an einen Song von Waylon Jennings, den ich selbst auch immer gern sang und spielte (wenngleich mit meinen da doch eher dann begrenzten Mitteln ...):
"Ive always been crazy and that's what has kept me from going insane!"
So ischt halt dös Leben, blökt da auch der Verstehende mit einfacherem Gemüt, aber gutem Gespür ...
Am Rhein in Xanten
Xanten, im Archäologischem Park
Xanten, Stadttore und Mühle
Xanten, Wasserträgerinnen und das Renaissance-Haus am Maktplatz
Xanten, Blick auf einen Teil des Marktplatzes
"Und was uns auch die Geschichte (...) erzählt, so rollt doch dieser Planet immer noch freundlich durch den
Himmelsraum, und die Frühlinge wiederholen sich, und die Menschen leben, genießen, und sterben nach
wie vor. -- Ja, tun, was der Himmel sichtbar, unzweifelhaft von uns fordert, das ist genug -- Leben, solange
die Brust sich hebt, genießen, was rundum blüht, hin und wieder etwas Gutes tun, weil das auch ein
Genuß ist, arbeiten, damit man genießen und wirken könne, andern das Leben geben, damit sie es wieder
so machen und die Gattung erhalten werde -- und dann sterben -- Dem hat der Himmel ein Geheimnis
eröffnet, der das tut und weiter nichts."
(Heinrich von Kleist an Wilhelmine Zenge, aus Paris am 15. August 1801)
Lass denn immerhin die Göttin Schicksal walten,
Ob sich dunkle Wolken gegen dich auch ballten,
Groß und ruhig siehst du ihrem Gange zu.
(Karoline von Günderode, Schicksal und Bestimmung)
Zuversicht ist Lust, entsprungen
aus der Idee eines zukünftigen
oder vergangenen Dinges,
bei dem die Ursache des Zweifelns
geschwunden ist.
(Baruch de Spinoza)
Lass denn immerhin die Göttin Schicksal walten,
Ob sich dunkle Wolken gegen dich auch ballten,
Groß und ruhig siehst du ihrem Gange zu.
(Karoline von Günderode, Schicksal und Bestimmung)
Zuversicht ist Lust, entsprungen
aus der Idee eines zukünftigen
oder vergangenen Dinges,
bei dem die Ursache des Zweifelns
geschwunden ist.
(Baruch de Spinoza)
Und damit wieder einmal mehr fort von jenen Unerträglichkeiten, sich anderen Dingen zuwenden:
wie zum Beispiel dem Bildmaterial als eine Form der Erinnerung für Erlebtes, ein kleiner Blick auf das Schöne, auf das Erzählte ...
Sarti, Photo and Copyright by J.Buchenau
Nichts ist dem Interesse so zuwider als
Einförmigkeit, und nichts ihm dagegen
so günstig als Wechsel und Neuheit.
(Heinrich von Kleist)
Heut ist mir alles herrlich; wenn's nur bliebe!
Ich sehe heute durchs Augenglas der Liebe.
Johann Wolfgang von Goethe
Wie sagte ein alter Grieche damals zu mir: "Look, our new volcano!" Berg Athos in Wolken, Photo and Copyright by J.Buchenau Auf dem Hügel am nördlichen Ende von Sarti, Photo and Copyright by J.Buchenau
Das Schönste, was wir erleben können,
ist das Geheimnisvolle.
(Albert Einstein)
Ein Abend, an dem sich alle Anwesenden einig
sind, ist ein verlorener Abend.
(Albert Einstein)
Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
(Albert Einstein)
Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.
(Albert Einstein)
Machen Sie sich erst mal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen.
(Konrad Adenauer)
Aber jeder Mensch hat zwei Welten: seine Arbeitswelt, die ihn ernährt,
und jene andere Welt, die er sich nach Dienstschluß aufbaut, und in
dieser anderen Welt lebt er sein privates, sein eigenes, sein eigentliches
Leben, er darf Mensch sein oder das, was er darunter versteht.
(aus: Seeleben I, Werner Koch)
Diese Aussage des hervorragenden Schriftstellers deckt sich aus meiner Sicht inhaltlich mit folgender Feststellung (ich traf auf sie zufällig im Rahmen einer Werbekampagne eines Reiseunternehmens:
"Man kann nicht immer nur arbeiten. Man muss auch mal was Sinnvolles tun."
Damit konnte ich sofort etwas "anfangen" (wie es mittlerweile oft so heißt ...): Die allerwenigsten Menschen dürften in der Arbeit ausreichende (oder vielfach: gar keine) Befriedigung finden. So gesehen ist die Arbeit allenfalls als notwendiges Übel "sinnvoll". Das eigentliche Leben dürfte die Mehrheit außerhalb des Arbeitslebens zu suchen haben ... Arbeit ist also bestenfalls eine Grundlage zur Bereitstellung für die Befriedigung von basalen physiologischen Bedürfnissen, also Grundbedürfnisse, die zum Erhalt des menschlichen Lebens, d.i. also: des eigenen, erforderlich sind. (vgl. hierzu u.a. Abraham Maslows Bedürfnispyramide) Mein Ergebnis, zu dem ich schon spätestens in meiner Jugendzeit gekommen bin: Fast immer dürften jene, die auf Selbstverwirklichung o.ä. durch Arbeit hoffen, entweder enttäuscht werden oder sich darüber selbst täuschen indem sie ihre Bedürfnisse -- freilich ohne dies in aller Regel zuzugeben -- enorm reduzieren. Auch wenn es unmodern klingen mag, es trifft -- denke ich -- immer noch zu: es gibt in und durch (fremdbestimmte) Arbeit eben allzu viel an Entfremdung, an Entwertung der Persönlichkeit, an Gängelei und Ausbeutung. Das Glück wahrer Bedürfnisbefriedigung oder des Erlebens von Zufriedenheit in der Arbeitswelt dürfte allenfalls einer Minderheit zuteil werden. Leider.
Es muß also immer wieder ein "Lob der Faulheit" geben ... Und wem man dieses Recht nicht freilwillig einräumt, der wird im Interesse eigener Gesunderhaltung sich um das notwendige Maß an Faulheit, an Entspannung, an die Seele-baumeln-lassen, an Abstand vom Alltäglichen (das besonders die Arbeitswelt dominiert) bemühen müssen. Für mich bedeutet dieses Verständnis von "Faulheit" beileibe nicht ein Nichtstun: der gesunde "Faule" wird sicherlich tätig sein, dies jedoch mit dem festen Ziel der Minimierung von einer krankmachender Fremdbestimmung.
gesehen in Duisburg-Neudorf an einer Autobahnbrücke
Wer mit seiner Herkunft prahlt, lobt Fremdes.
(Seneca)
Ich bin unter anderen unliebsamen, den Geist knechtenden Sachverhalten, vor allem gegen die sich wie ein Krebsgeschwür ausbreitende "Politische Korrektheit" (political correctness). Der Begriff allein verrät schon die Absicht, den Geist Andersdenkender zu knechten; denn jene Kleingeister wollen eben nur das in Diskussionen zulassen, was ihrer Vorstellung von Richtigkeit, von Wahrheit, von Interpretationsweisheit entspricht. Wie kann etwas "korrekt" sein, wenn es in der Suche nach Wahrheitsfindung, nach Welterklärung eine Einschränkung bedeutet?! Ist es nicht viel eher "korrekt", auf der Suche nach Wahrheit, auf der Suche nach besseren Wegen, auf der Suche nach einer Besserung der Verhältnisse, sich mit all dem auseinanderzusetzen, was historisch, also nicht nur sprachhistorisch, wie auch immer bedeutsam war (und es vielleicht noch ist)?! Nur im Umgang mit Hypothesen, die in einem um Objektivität bemühten Verfahren der Falsifikation gegenüber ständig offen sind, dürfte ein konstruktiver Weg gangbar sein. Denkverbote und jegliche Form der Verkürzung von Terminologie sind da nur kontraproduktiv. Aber der "enge Geist" scheut wohl die umfassende Auseinandersetzung, vielleicht nicht nur weil sie ihm zu anstrengend erscheint ...
Ein Beispiel für diese Meinungsknechtung, für den Versuch nur bestimmte "Wahrheiten" zulassen zu wollen, für die Verkürzung von Betrachtungsgegenständen, für von geistiger Armut getragener Filtermentalität (Motto: Nur wir bestimmen, was richtig und falsch ist, was sein darf, eben: was "korrekt" ist.) ist der Umgang mit dem alten klassischen "suum cuique". Hier erleben wir oft schon Aufschreie hysterischen Ausmaßes! Und das, weil ein verbrecherisches Regime (mit den Menschen, die es getragen haben!) diesen Terminus mißbraucht hat. Wenn das Schule macht, dann dürfte man auch andere Begrifflichkeiten, die Nationalsozialisten und ähnliche Verbrecher verwendet haben, nicht mehr sanktionsfrei benützen dürfen -- Sprache würde gänzlich verarmen ...
(Andere Beispiele von dümmlichen und knechtenden Versuchen "Geistesverbote" durchzusetzen, bestimmte -- angeblich rassistische oder diskriminierende -- Wörter zu benützen, von Negerkuß über Liedtextzeilen wie 'Zehn kleine Negerlein' bis hin zu Schwarzfahrer dürften sattsam bekannt sein ...)
... ach ihr Wassertreter der PolitischenKorrektheit, wie schön für euch, wenn ihr Sprache auf einem euch gemäßen Maß verkürzen könnt und daraus mit
geistiger Halbblindheit Vorschriften und unangemessene Deutungshochheit über und für alle ableitet ... Euch leitet in euren scheinbar
gesicherten Bahnen der "fermentus servitutis" (der Ungeist der Knechtschaft) ...
Oder um es mit Dr. Fritz P. Rinnhofer zu sagen: "Die wirklich Großen haben stets noch größere Geister in ihrer Umgebung; die Kleingeistigen noch größere Kleingeister." Damit sind bereits die Möglichkeiten geistiger (und anderweitiger, an Niveau und Fortschritt interessierter Verfahren) in ihrer Zieloffenheit bzw. Zielbegrenzung angerissen. Wer sich bewußt oder auch unbewußt (u.a. vielleicht aus der Unfähigkeit, sich des eigenen Verstandes zu bedienen) nur in von wem auch immer begrenzten Bahnen bewegt, der oder die wird auch nur innerhalb dieser Grenzen ihre eigene Form der Erleuchtung finden. Vielleicht sogar in der unrühmlichen Entäußerung des Selbst, wonach viele Lichter es nur dem Leuchter verdanken, daß sie wahrgenommen werden. (Christian Friedrich Hebbel: Wie viele Lichter verdanken nur ihrem Leuchter, daß man sie sieht!)
Der Wahrheit kann man sich nur annähern, wenn man offen, sich nicht im eigenen Suchen einengend und kasteiend, sich ihr zu nähern bemüht. "Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, sondern wir müssen uns nach ihr richten." (Matthias Claudius) So schrieb der Dichter 1799 an seinen Sohn Johannes mit weiser Voraussicht.
Wie sollen auch Kleinmut und Kleingeistigkeit Großes leisten können! Der Verstand wächst nur durch Übung und Auseinandersetzung mit der Umwelt, wenn er in seinen Möglichkeiten nicht unterdrückt wird. Chesterfield hat die hinter diesem Postulat steckenden Möglichkeiten bzw. Fallstricke einmal so betrachtet: "Ein schwacher Verstand ist wie ein Mikroskop, das Kleinigkeiten vergrößert und große Dinge nicht erfaßt." Und vom Prinzip ist das richtig; wer von vorneherein eine umfassende Betrachtung ausgrenzt, gar faktisch verbietet (also zensierend wirken möchte), darf sich nicht wundern, wenn er eben an Kleinigkeiten hängenbleibt und zum "Großen", zum "Umfassenden" nicht vorstößt. (Natürlich wird jetzt schon wieder wie bei dem Angriff auf Werbekampagnen, die dieses "Jedem das Seine" verwendet hatten und dann es wegen der Empörung verschiedener Political-Correctness-Träger (und auch Trägerinnen natürlich!) auf Druck einstellten, der Aufschrei groß sein und die Unterstellungsphalanx in Bewegung gesetzt werden ... Nein, hört gut zu, man lese nur das, was ich schreibe und heimse nichts anderes hinein oder hinaus: Es ist natürlich keine "Kleinigkeit", was an Verbrechen wo auch immer in der Welt geschah und geschieht, es natürlich keine "Kleinigkeit", wenn Verbrecher welche Aussagen auch immer aus ihrer Ursprünglichkeit reißen und sie mißbrauchen (wie eben am KZ-Eingang mit "Jedem das Seine" geschehen), selbstverständlich hat man derartigen Widerwärtigkeiten und Unmenschlichkeiten mit aller Kraft und Macht entgegenzutreten!
Aber es eben schon ein Verharren und Beharren auf "Kleinigkeiten", wenn man etwas aus seinem viel größeren Zusammenhang reißt, sich an diesem selbst und eigenmächtig definierten Ausschnitt deterministisch festbeißt und glaubt, damit eine Deutungshoheit legitimerweise erlangt zu haben, dies mit einem absoluten Unterlassungsanspruch auf den Versuch anderer Kontextherstellung! Nein, nochmals all ihr Empörten, vor allem aber: all ihr, die ihr so viel Leid erfahren mußtet: "Jedem das Seine" wurde von Verbrechern mißbraucht, wurde dem historischen Gesamtkontext entrissen, wurde damit aber nicht zu dem, was eine (fadenscheinige und an Aufklärung de facto wenig oder gar nicht interessierte) Politische-Korrektheit-Meinungshierarchie daraus gemacht hat.
Zu dieser differenzierenden Betrachtungsweise sollte man -- trotz der unsäglichen Vergangenheit und des übergroßen Leides -- immer noch fähig, vor allem aber bereit sein!
(Man halte sich nur einmal vor Augen, was man alles nicht mehr benennen dürfte, tun dürfte, sagen dürfte, lesen dürfte, wenn man sich daran hielte, was auch Nationalsozialisten, Stalinisten, Eroberer, Unterdrücker jeweils für ihre eigenen Zwecke usurpiert hatten und haben. Wer nur ein wenig darüber nachdenkt, sieht schnell ein, daß dieses Übermaß an Geschichtsklittung nicht zielführend sein kann und könnte.)
Exkurs: Zum ursprünglich geschichtlichen Hintergrund von "SUUM CUIQUE"
Die Aussage läßt sich zumindest bis Platon zurückverfolgen, der in seiner Politeia geschrieben hat, daß Gerechtigkeit dann besteht, wenn man das Seine tut und nicht vielerlei Dinge treibt, daß so auch Verantwortung für den Staat eingelöst werden kann, ihn also "gut" macht: "(...), daß jeder einzelne das Seine tut und sich nicht der Vielgeschäftigkeit ergibt!" (Platon, Hauptwerke, Der Staat, Kröner 1965, S. 179) Er stellt weiter klar, daß auch jeder das Seine bekommen soll und daß niemandem das Seine genommen werden soll.
Hintergrund für die Vollbremsung: Ursprünglich geprägt von dem römische Staatsmann und Philosophen Cato dem Älteren wurde der Spruch als “Jedem das Seine” von den Nationalsozialisten missbraucht. Er stand über dem Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar.
Wir sehen also, die Aussage geht mindestens bis ins antike Griechenland zurück, ist also keine "Erfindung" der Nazis; daß diese dann jenes Suum Cuique auf zynischste Art vergewaltigt haben, steht sicherlich außer Frage. Daraus aber abzuleiten, diese Sentenz dürfe nicht mehr vom Nazikontext abgehoben gebrauchbar sein und verwendet werden, sie sei unerträglich, sei gar mit Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus ausschließlich verbunden, läßt nur einen Schluß zu, nämlich den, daß jene derart Argumentierenden mit Aufklärung und Wahrheitserhellung sich -- gelinde gesagt -- sehr schwer tun.
Mit Suum Cuique handelt es sich also ursprünglich -- und auch: weiterhin! -- (daran darf der Mißbrauch durch das Dritte Reich nichts ändern!) um ein Prinzip der sich mit moralischen und politischen Fragen befassenden einschlägigen Philosophie, das auf Recht, Gerechtigkeit, vor allem auch auf Verteilungsgerechtigkeit der unterschiedlichsten Ressourcen in einem weitgefaßten Sinn abhebt: daß jedem Bürger eines Gemeinwesens z.B. durch gerechte Güterverteilung sein Anteil zuzukommen hat, daß jeder Bürger sich auch mit seinen speziellen Fähigkeiten sich ohne auf viele Tätigkeiten zu verzetteln, in der Gestaltung des Staates einbringen darf und sollte.
Im römischen Reich wurden diese griechischen Gedanken aufgegriffen und weiter ausgeformt, so bei Cicero sowohl in De legibus (sinngemäß: dieses Gesetz sei nach dem jedem das Seine zuteilen benannt -- Eamque rem illi Graeco putant nomine a suum cuique tribuendo appellatam; a.a.O. 1,6,19) als auch in De officiis (sinngemäß: innerhalb der menschlichen Gesellschaft jedem das Seine zukommen zu lassen und Verträge verlässlich einhalten; In hominum societate tuenda tribuendoque suum cuique et rerum contractarum fide; a.a.O. I, 15).
Im Corpus Iuris Civilis (Justinian, Institutiones Justiniani von 533, 1,1,3) heißt es: "Iuris praecepta sund haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere" -- eben als Rechtsgebot gefordert ist es, ehrenhaft zu leben, niemanden zu verletzen und jedem das Seine zu gewähren.
Noch eindeutiger dann hebt die Bedeutung von "Jedem das Seine! Ulpian (Corpus Iuris Civilis, Digesten 1,1,10) hervor, nämlich die Gerechtigkeit (sic!) ist der beständige und dauerhafte Wille,jedem sein Recht zukommen zu lassen. (= "Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi.")
In keinem der vorgenannten (und all den anderen hier nicht genannten) Auslegungen gehen die Verfasser von einer Rechtlosigkeit der Subjekte aus, keine Ausführung hat auch nur den Hauch einer Auslegungsmöglichkeit einer zynischen Zementierung von Unmenschlichkeit, von Nichtbeachtung der menschlichen Würde. Vor allem auch die jeweiligen Kontexte zeigen deutlich: es geht um Teilhabe, nicht um Ausschluß von Teilhabe oder gar um irgendeine Art von menschenverachtendem Abgeschobenwerden, von kriminellem Ausgegrenztwerden.
Johann Sebastian Bach hat seine sehr schöne Kantate Nr. 163 (komponiert 1715) mit dem Titel versehen: Nur jedem das Seine (Text von Salomon Franck, in Anlehnung an Matthäus 22, 21: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört. -- Angesprochen ist der Zwiespalt des Menschen in seiner Loyalität Gott und dem Kaiser gegenüber ...).
Wer käme hier auf die Idee, nach all dem Naziverbrechertum den Titel zu ändern? Und, einmal auf so eine Art erweiterte Form der Politischen Korrektheit blickend, wer wollte hier denn eine das Original verletzende Wortkosmetik im Sinne von Wortabänderungen (wie beispielsweise bei Kinderliedern -- man erinnert sich, die aufgebauschte, konstruierte Problematik mit den "Zehn kleinen Negerlein" -- oder bei Alltagsgegenständen oder bei ganz einfach deskriptiven Begriffen, bei denen schlicht "normale" Wörter von sogenannten, vor allem selbsternannten, "Gutmenschen" in die Anormalität gerückt und somit "verboten" wurden ...) betreiben?!
Werden hier nicht wieder einmal mehr Ursache und Wirkung vertauscht, wird hier nicht gesehen, wo tatsächliche Ursache-Wirkung-Prinzipien liegen? Fakt ist, daß semantische Problemlagen eben leider künstlich erzeugt werden -- sei es bewußt oder unbewußt --, somit der eigentliche Zugang zu eventuell gegebenen Problemen versperrt bleibt oder umschifft wird, damit folglich Problemlagen eher verschärft denn beseitigt werden.
Jedem das Seine, ja, das gibt es auch als Gedicht von dem Pfarrer und Dichter Eduard Möricke. Zwei Männer bewundern ein tanzendes Mädchen, Aninka. Beide sind von ihrer Erscheinung hingerissen, bewundern alles an ihr. Da springt ein goldnes Knöpfchen von ihrer Jacke, der Ich-Erzähler fängt es auf und ist glücklich, daß ihm ein Teil jener süßen Aninka gehört:
"(...)
Doch hämisch lächelt' Jego'r dazu,
Als wollt er sagen:
Mein ist das Jäckchen
Und was es decket,
Mein ist das Mädchen,
Und dein -- der Knopf!"
Den Titel verbannen, umbenennen, nur weil die Nazis ... Wie denn, was denn, wo denn? Vielleicht: Das Mädchen und der Knopf. Zu banal? Dann: Zwei Freunde und ein Mädchen? Zu platt? So eben: Das Malheur mit der Jacke? Nein, auch nicht? Wie wäre es dann mit "Die Bescheidenheit". Das klingt schön und unverfänglich, ist sogar moralisch-ethisch von Wert? Auch nix? Eher volksmusikantenstadelhaft: "Der eine hat den Knopf, der andere nimmt das Mädchen". Nicht schön, darum geht es aber letztlich doch! Der vulgäre oder allzu lüsterne Phantasierer schlägt vor: "Der Knopf tat ihn erquicken, der andere durfte ficken." Da wäre ich nun wieder sehr zurückhaltend mit all diesen vorgenannten und anderen blödsinnigen Ideen; nein: es paßt auch hier gut, trifft die Intention des Dichters (welch Wunder, hätte er es andernfalls nicht anders betitelt!?): Jedem das Seine. Gilt bei dem "Mächenringen" vielleicht gar der Gorbatschowsche Satz "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."? Irgendwie schon! Warum auch nicht! Oder ist dieser Satz mittlerweile auch schon nicht mehr tragbar? Haben da auch schon Menschen mit ihrem vorauseilendem Gespür und Gehorsam eine zynische Komponente entdeckt?
Gehen wir doch noch einmal kurz in die schnöde Welt der Politik zurück, zum guten alten Friedrich I; jener hat nämlich als Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg am 17. Januar 1701 einen Tag vor seiner Selbstkrönung in Königsberg am 18. Januar 1701, auch ein Zeichen gesetzt ...
Hat der gute Mann doch damals den Schwarzen Adlerorden gestiftet, diesen wohl in der Bedeutung "Jedem nach seinem Verdienst". Im Medaillon des achtstrahligen silbernen Ordenssternes sieht man den schwarzen preußischen Adler auf orangefarbenen Grund innerhalb des Ordensmottos Suum Cuique sowie einen Lorbeerzweig. Aus den "Statuten des königlich preußischen Ordens vom schwarzen Adler": "Mit dem Crantze die Gerechtigkeit der Belohnung, mit den Donnerkeilen die Gerechtigkeit der Strafen, und mit dem Suum cuique die allgemeine Unparteilichkeit anzudeuten, nach welcher nicht nur einem und dem anderen, sondern allen durchgehends, und einem jedweden nach Verdiensten das Seine geleistet werden."
Wie nun mit dieser Historie umgehen?
Und im Internet kann man in diesem Zusammenhang auch fündig werden, wenn man nach Information über die Feldjäger der Bundeswehr sucht. So heißt es an einer Stelle: "Seit Einführung des Baretts ziert ein stilisierter Gardestern als historische Nachbildung und als Truppengattungszeichen die Kopfbedeckung eines jeden Feldjägers. Dem Wahlspruch Friedrichs I. 'Suum cuique' fühlt sich die Feldjägertruppe der Bundeswehr auch nach 300 Jahren verpflichtet. Sie versteht sich als militärische Traditionstruppe dieses ehemaligen „Reitenden-Feldjäger-Corps“." (Quelle: feldjäger, randnotizen: feldjägerstern / feldjägergeschichte, wenn tradition verbindet .../ Initiative Feldjägerstein, Sonthofen; Anmerkung: mit all diesen Angaben ist bei persönlichem Bedarf die Quelle über google leicht zu finden, ich setze grundsätzlich ganz bewußt keine direkten Links zu irgendwelchen Seiten!)
Um auch hier nicht falsch verstanden zu werden: Wer meinen Ausführungen über SUUM CUIQUE folgen kann, der darf natürlich auch keinen Anstoß daran nehmen, daß die Feldjäger diesen Leitspruch übernommen haben! Beweist jedoch nicht gerade dieser Umstand auch, daß Suum cuique eben nicht durch einen punktuellen historischen Bezug ein- und abzugrenzen ist! Für den angemessenen "normalen", also kontextuell im positiven Sinne abgesicherten von einer vor allem im philosophischen und rechtlichen Sinne einsichtige Verwendung gibt es keinen einseitigen Bezugsrahmen (wie den abscheulichen Buchenwald-Hintergrund), also auch keine Ausschlußkriterien ...
Halten wir einfach kurz fest: Das "Jedem das Seine", das "Suum Cuique" ist fast ausschließlich in einem achtbaren Sinn gebraucht worden, und daran sollten wir auch in Zukunft festhalten und festhalten dürfen und es entsprechend, wenn geboten, verwenden!
(Gewiß völlig anders verhält es sich mit der in Auschwitz am Eingangstor angebrachten Parole "Arbeit macht frei", was ich jedoch an dieser Stelle aus Zeit- und Platzgründen nicht weiter verfolgen werde.)
Was soll dann denn diese ganze doch eher künstliche Aufplusterei? Was die (bei vielen bestimmt auch gespielte, weil das eigene Fortkommen transportierende Empörung -- ich denke da an: die Berufsempörer und Berufsempörerinnen!) Aufschreiakrobatik?! Ist sie nicht allzu häufig nur von Geistlosigkeit und Unverständnis für wirkliche Zusammenhänge getragen?!
Nein, man darf sich von jenen, die echte Diskussionen verhindern, behindern, kaputtreden wollen, nicht einengen, nicht entmutigen lassen. Wie hatte es Ovid so treffend gesagt (freilich, er bezog das seinerzeit auf mögliches unglückliches Verliebtsein, auf Beziehungskonflikte, was aber nicht bedeutet, daß mit dieser Feststellung keine Generalisierung vollzogen werden dürfe): PRINCIPIIS OBSTA! (Widerstehe den Anfängen, Wehret den Anfängen!)
(Hoffentlich haben die Nazis diesen Begriff kein einziges Mal in ihrem vielfältigen Tun gebraucht, wenn ja, dann wären wir -- geht es nach den "Sprachsaubermännern und Sprachsauberfrauen" wieder ein Stück der Endzeit von Sprache entgegen, sozusagen: in eine endgültig sprachlose Zeit. Eine Zeit, in der sich so mancher Maulaufreißer dann aber auch nicht mehr ganz wohl fühlen dürfte ...
Wer nun wirkliche Nachdenklichkeiten (die sicherlich unaufhörlich geboten sind!) und Überprüfung historischer Verirrungen (auch da sollte man stets zielgerichtet suchen, allein schon um das Bewußtsein wach zu halten, für das, was nie mehr geschehen darf, was zu tun ist, wo und wie man sich engagieren kann, etc.) bei sich und anderen befördern möchte, wird -- egal ob im Internet oder in Bibliotheken oder über andere Medien -- äußerst leicht fündig werden und sich leider nur allzu oft die Frage stellen, weshalb so etwas möglich werden konnte (Ich möchte mich abschließend da noch einmal wiederholen: Suum cuique gibt da wirklich nichts her, schon gar nicht, wenn man es mit wirklichen geistigen und praktischen Entgleisungen mißt!).
Mit einem einzigen Beispiel aus unzählig anderen, die ich gefunden habe, möchte ich dieses Thema an dieser Stelle abschließen; den Lesern sei es aufgegeben, sich darüber eigene Urteile zu machen bzw. jene Spuren einmal näher zu verfolgen.
Welche Empörung ist denn bei beispielsweise folgender Aussage angemessen? (Gleichwohl, weil es eben zahlreiche "Bewunderer" oder "Nutznießer" der Kumpanei mit den Mächtigen im Dritten Reich gibt, stellt sich die Frage: Wird man wegen all jener Geirrthabenden -- um es gelinde auszudrücken! -- dann den Glauben verdammen, sich von ihm abwenden -- abwenden wie man es vom gewiß viel unverfänglicheren Suum Cuique verlangt?)
Also damit zum Ende, dies allerdings mit dem Motto "Ende gut, nicht alles gut!" ... Es wurde geschrieben, es steht geschrieben (dank Archivaren): "Wir verkennen manches Gute der neuen Weltanschauung (der Nazis) nicht. Wir finden aber beim näheren Zusehen, dass es in ihrem Besten Kopie des Christentums ist." (Der Erzbischof von Freiburg Konrad Gröber an den Papst, 1944, Herv. d. V.) (Quellenangabe: zu finden bei kirchenopfer.de)
"Tom Buckey":
"Die Schriftstellerei ist kein Beruf, sondern eine Suche. Man muß das Normale staunend und
den Wahnsinn in aller Ruhe betrachten."
Frédéric Beigbeder
Bilder aus dem anderen Ende der Welt:
Und auch das noch ...
(Aufnahme von 2009)
Impressionen aus der Bodenseegegend (Mitte Juli 2015 und folgend)
... an manchen Stellen des Bodensees ein seltener Anblick, so ein Schwanenpaar (und Junge hatte es auch keine)
... bei dem Schild erinnerte ich mich sofort wieder an eine meiner wiederholt gestellten Fragen: Wer verunreinigt wohl die Natur, hier: den See, mehr, der Mensch oder das Tier: hier der Schwan ...? Na, denn, so ist es eben!
... wie schön es da ist, wenn sie morgens alle noch nicht da und abends dann wieder verschwunden sind! Was für eine Ruhe, was für ein Blick, was für ein Fühlen ...
Störche über ihren Wiesen und Feldern westlich vom Affenberg strafen schon frühmorgens und auch abends wieder das Gerede von Schaden, den Zufütterung angeblich anrichtet, Lügen!
Sie suchen sich schon noch ihr Futter selbst, bringen aber durch Hilfe mehr Junge durch.
... der Storch hat törichtes Gelabere nicht verdient, ich übrigens auch nicht, kann mich aber im Gegensatz zu ihm / ihr gut wehren ...
... Entenmutter führte ihre Kinder mitten unter den dichtgedrängten Badegästen auf Uhldinger "Liegewiese" aus ...
... auch den Spatzen geht es nicht mehr so gut wie früher einmal, aber hier genießen sie den Augenblick, ich auch ...
... störet meine Kreise nicht ...
... weniger geheimnisvoll als effektiv ...
... eben bei allem auch immer wieder: memento mori ...
Die "Imperia" wurde 1993 im Hafen von Konstanz aufgestellt. Entworfen und ausgeführt wurde sie von dem Bildhauer Peter Lenk. Sie ist die Darstellung einer üppigen Kurtisane, welche an die weltlichen Bedürfnisse der geistlichen Fürsten erinnern soll. Bezugsrahmen ist das Konzil von Konstanz, das vom 5. November 1414 bis zum 22. April 1418 stattfand. Gastgeber des Konzils, einer Versammlung der Kirchenführung, war Fürstbischof Otto III. von Hachberg, betrieben hat die Einberufung der römisch-deutsche König Sigismund, letztlich einberufen dann der Gegenpapst Johannes XXIII. Jene Versammlung hatte zum Ziel, das seit 1378 andauernde Schisma zu beenden und die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Behandelt wurden auch notwendige Reformen innerkirchlichen Zustände. Es ging auch um die Klärung von Fragen der kirchlichen Verkündigung und Sakramentslehre, dies mit dem Ziel einer wirksamen Bekämpfung der Ketzerei.
Während des Konzils war Konstanz im Mittelpunkt des kirchenpolitischen Interesses in Europa. König, Papst und Kirchenfürsten waren mit ihrem jeweiligen Gefolge im Ort und in der Umgebung anwesend. Die Rede ist von 33 Kardinälen, 346 Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe sowie von 2148 weltlichen Doktoren, 546 Vorsteher und Glieder der Mönchsorden. Zudem wurden 50000 bis 70000 Konzilbesucher geschätzt.
Zurück zu den weltlichen Bedürfnissen schreibt der Konzilchronist Ulrich Richental: "Öffentliche Huren in den Hurenhäusern und solche, die selber Häuser gemietet hatten und in den Ställen lagen oder wo sie wollten, deren gab es über 700, ohne die 'Heimlichen', die lasse ich ungezählt." (vgl. Helmut Weidhase, "Imperia. Konstanzer Hafenfigur." Stadler, Konstanz 1997, S.11)
Über die extrem zugenommene Prostitution zur Zeit des Konzils berichtet auch der Dichter, Sänger und Diplomat Oswald von Wolkenstein, einer der prominentesten nicht-kirchlichen Besucher des Konzils. Er prangert in seinen Liedern Mißstände in der Stadt an, u.a. die hohen Preise, Diebstahl und fehlende Unterkünfte. In seinen Liedern beschreibt Oswald vor allem auch reuelose Genüsse, auch wirkt er durch poetische Darstellung von Sexualität. Oswald von Wolkenstein berichtet eben auch von seinen Erlebnissen in den Konstanzer Bordellen.
Die "Imperia" (allein die Namenswahl läßt Rückschlüsse auf gewisse Formen der Verweltlichung, damit auch auf die Zwiespältigkeit in der Umsetzung kirchlicher Vorgaben seitens Kirchendiener zu ...) ist als proppere Kurtisane mit tiefem Dekolleté und einem nur notdürftig von einem Gürtel geschlossenen Umhang dargestellt. Die erotische Ausstrahlung ist wohl eindeutig. Deutlich kann man sehen, wie sie auf ihren Händen zwei eher zwergenhafte Männchen trägt (ganz im Gegensatz zu ihrer eigenen Statur!). Die Figur in ihrer rechten Hand hat auf dem Haupt die Königskrone und in der Hand den Reichsapfel als Insignien der Macht. In ihrer linken Hand trägt Imperia eine Figur mit päpstlicher Tiara, deren Beine sind übereinandergeschlagen.
Wen die beiden Figuren letztlich darstellen, ist nicht eindeutig. Die Auslegung, wonach es sich um die Machhaber aus Konzilszeiten, Kaiser Sigismund und Papst Martin V., handeln könnte, bleibt eben nur eines: Vermutung. Handelt es sich dann "nur" allgemein um Personifikationen, welche weltliche und geistliche Macht repräsentieren sollen?
Peter Lenk, der Künstler und Erschaffer der Imperia, selbst sieht sie als "nackte Gaukler", die sich die Insignien der Macht widerrechtlich aufgesetzt haben. Entsprechend hat er sich in einem Interview mit Jasmin Hummel geäußert: "(...) Es handelt sich bei den Figuren der Imperia nicht um den Papst und nicht um den Kaiser, sondern um Gaukler, die sich die Insignien der weltlichen und geistlichen Macht angeeignet haben. Und inwieweit die echten Päpste und Kaiser auch Gaukler waren, überlasse ich der geschichtlichen Bildung der Betrachter. (…)." (vgl. 20 Jahre Imperia. … und sie dreht sich immer noch. In: Labhards Bodensee Magazin 2013, S. 44–45)
Eine zumindest unangreifbare Darlegung eigener Arbeit, wenn man weiß, wie empfindlich manche Seiten auf kritische Kunst reagieren. Die zwangsweise Entfernung einer nackten Papststatue aus dem Konstanzer Bahnhof durch einen Stadtratsmehrheitsbeschluß (6 gegen 5 Stimmen) ist hierfür -- bundesweit gesehen -- leider nicht das einzige nachdenklich stimmende Beispiel ...
Jedenfalls erinnert diese Figurenkonstellation an einen häufig erhobenen Vorwurf gegenüber der Amtskirche zu manchen Phasen ihrer Geschichte: nämlich an angebliche Mätressenherrschaft. Ebenfalls scheinen hier patriarchalische Züge in den Fokus der Kritik durch darstellende Kunst geraten, Kaiser und Papst werden zudem als Spielball der eigenen Libido dargestellt, die mächtigsten Männer also als von ihren niedersten Trieben beherrscht gezeigt. Dagegen erscheint dann die Imperia als Verkörperung der körperlichen Liebe als die eigentlich mächtige Figur. Interessant auch Imperias Kopfschmuck: eine Narrenkappe mit Schellen, die vielleicht neben der Rolle einer intriganten Kurtisane zusätzlich auf auf eine Art Hofnarr verweist, der das Spiel der Mächtigen durchschaut und demaskiert, sie letztlich nach Entfernung ihrer jeweiligen Amtstracht nur mehr als lächerliche Witzfiguren enttarnt. Und gerade letzterer Gedanke scheint mir alles andere als in weit zurückliegender Historie angesiedelt! Man muß nur einen tiefen Blick in unsere Gegenwartspolitik und der sie entscheidend mitdefinierenden Einflußgrößen werfen, um zu sehen, daß "Imperia" durchaus (leider?!) nichts an Aktualität verloren hat.
Machtgelüste
Oh wie sinnlos es ist sich nach vorn zu drängen um ödem Beifall anzuhangen
Sich baden in dem Wörtergesülze und einzureihen in der Meute Schlangen
Welch dümmlich Zuspruch aus dem Sumpf all der gigantischen Zeitvergeuder
Wie armselig doch peripher zu enden dirigiert durch deren kraftvolle Schleuder
Zentrifugal entmachtet und gelenkt von jenen die den Pfad halt zuvor erklommen
Jene die äußerlich glänzend scheinen dabei im Innern längst zu sehr verkommen
Dies Hoffen bis endlich jemand stolpert oder stürzt um dann endlich vorzurücken
Mit Scheinheiligkeiten und Gewäsch man meint so auch alle Welt zu beglücken
Weil man nicht zu leben versteht hofft sich in vermeintlich Sicherheit zu wiegen
Längst Wirklichkeit kaum noch durchschaut weil man muß sich selbst belügen
Die Umwelt als Objekt um ihr eigenen Schein als Wahrheit aufzudrängen
In verlogener Moral und Verlogenheit sich selbst und andere einzuengen
Wer dem nicht zu folgen vermag oder wer hier gar Aufsässigkeit dann pflegt
Gegen derart Gesindel der vermeintlich Gute sogleich größten Argwohn hegt
Und versucht solchen Widerspruch mit allen möglichen Mitteln auszutreiben
Um so letzten Endes sich dann eine noch größere Machtfülle einzuverleiben
Wer möchte sich solchem transzendental gespeistem Treiben nicht widersetzen
Wer spürt hier nicht ein endlos großes Verlangen gegen diese Lügner zu ketzen
Wer hat nicht den Drang sich mit aller Möglichkeit und Kraft hier zu entziehen
Wer möchte nicht dorthin wo man wirkliches Leben spürt ganz schnell entfliehen
Wo Nacktheit und wärmende Haut fröhlich ein endlos feuchtes Klima entfalten
Wo fern dumpfen Alltags in schönster Hemmungslosigkeit die Kräfte walten
Wo keine anderen mit sublimierenden Interessen ihren Gegenpol aufrichten
Wo man längst erfaßt hat das Leben in besseren Formeln zu gewichten
Wo nur mehr reine Lust und Freude über Anfang Dauer und Ende bestimmen
Wo man sich fallen läßt und nichts verlieren kann sondern nur mehr gewinnen
Wo Mann und Weib sich hemmungslos geben endlos fern von allem Genieren
Wer sich so den Lebensschwerpunkt setzt den kann man kaum funktionalisieren
Für eine dämliche stumpfe fleischlose keusche und vor allem leblose Lebensweise
Sie gilt es zu vermeiden und auf vermeintlich verbotene Wege hin führe die Reise
Man sehe nur all die Vorzeitigtoten auf ihren zwei Beinen nach der Öde greifen
Man sehe nur wie all jene über sich allzu bereitwillig bequeme Wege schleifen
Man täusche sich freilich nicht bei eigener Wahl von der Lust geöffneten Wegen
Es kann durchaus sein: Plötzlich trifft man jene Unerwarteten in diesen Gehegen
(fagusarua 28.08.2017)
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